ActivityPub w3C specifications :
Neue Zürcher Zeitung, April 2019; Patrick Herger: Google, Twitter und Facebook: Alternativen zur Zerschlagung … :
“So hätten Nutzer Alternativen
Eine solche Regulierung wäre vergleichbar mit der Regulierung der Monopol-Telefongesellschaften, die in vielen Ländern existiert haben. Die Monopolisten wurden verpflichtet, neuen Konkurrenten diskriminierungsfreien Zugang zum Telefonnetz zu gewähren, um so ein Wettbewerbsumfeld zu schaffen, das den Kunden zugutekommt. Würden Facebook, Youtube oder Twitter auf ähnliche Weise reguliert, müssten Nutzer ihre Daten nicht bei diesen Unternehmen speichern und dort ein Konto haben, sondern könnten einen anderen Anbieter wählen. Trotzdem hätten sie weiterhin die Möglichkeit, mit ihren Kontakten zu kommunizieren und Dinge zu posten, die von diesen gesehen werden.
Für die Monetarisierungsmöglichkeiten bei Nutzerdaten wäre das ein erheblicher Nachteil, weil zahlreiche Nutzer zu Anbietern wechseln würden, die mehr Privatsphäre bieten. Um diese Form der Konkurrenz zu ermöglichen, brauche es aber erst einmal ein entsprechendes Protokoll, lautet ein Einwand. Allerdings ein wenig stichhaltiger. Denn es gibt bereits ein solches Protokoll. Es heisst ActivityPub und wird vom World Wide Web Consortium (W3C) als Standard propagiert. W3C ist die wichtigste internationale Normierungsorganisation für das Internet.
ActivityPub ist bereits ausgiebig getestet worden und hat seine Effizienz beweisen. Denn es wird bereits in grösserem Massstab verwendet. So gibt es etwa den Twitter-ähnlichen Dienst Mastodon mit über 2 Mio. Nutzern, der auf ActivityPub basiert. Müsste beispielsweise Twitter diesen Standard implementieren, könnten Nutzer entweder einen Mastodon-Dienst verwenden oder sogar selbst einen Server betreiben, um über diesen mit Twitter-Nutzern zu kommunizieren. Und Firmen wie Swisscom könnten dank ActivityPub Facebook-Dienste anbieten, wie sie E-Mail anbieten. Einfach gesagt: Facebook, Twitter und Youtube würden ihre Monopolstellungen verlieren und sie bekämen Konkurrenz, müssten sie ActivityPub implementieren.
Die Forderung, Social-Media-Giganten auf die Implementierung von ActivityPub zu verpflichten, wird etwa von der Electronic Frontier Foundation (EFF) vertreten. Die EFF ist eine US-Nichtregierungsorganisation, die sich dafür einsetzt, dass die Grundrechte, etwa Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre, auch im Internet gelten. Der Vorteil einer derartigen Regulierung wäre, dass die Konzerne in der jetzigen Form bestehen bleiben könnten, die Nutzer aber dennoch bessere Wahlmöglichkeiten erhielten. Im Lauf der Zeit dürften die Konzerne wegen der Nutzerabwanderung schrumpfen und dadurch an Marktmacht verlieren, was für viele im Vergleich zu einer Zerschlagung die bessere Lösung zu sein scheint.
Die Konstellation ist also nicht ungefährlich für die Internetkonzerne. Auf der einen Seite wächst die Bereitschaft zu einschneidenden Regulierungen, auf der anderen Seite sind die notwendigen technischen Möglichkeiten dafür bereits entwickelt worden. Ausserdem gibt es in den USA einen Präzedenzfall für diese Art Regulierung. Im Jahr 2001 hiess die dafür zuständige US-Behörde FCC die Fusion von AOL und Time Warner gut, allerdings mit der Auflage, dass AOL seinen Instant-Messenger für Konkurrenten zugänglich machen muss.”